kurs 2023 | FachMeinung

Ein Gespräch mit Professor Dr. Hans-Peter Rabl, OTH Regensburg

Prof.Dr. Hans-Peter Rabl Wissenschaftlicher Leiter folgender Labore und Kompetenzzentren: H2T2: hydrogen technologies for transport CEEC: combustion engines and emission control Seit April 2023: Wissenschaftlicher Leiter des neu gegründeten „Technologietransferzentrums (TTZ) Wasserstoffcluster Donau Hafen Kelheim OTH Regensburg“, gefördert vom Freistaat Bayern. Seit März 2006: Professur für Verbrennungsmotoren und Fahrzeugtechnik an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Regensburg Juni 1998 – Februar 2006: Industrietätigkeit in der Vorentwicklung und generischen Entwicklung bei Siemens VDO Automotive AG, Regensburg Dabei auch diese Projektleitung: Von Mai 2002 – Februar 2006: “Generic-Cluster-Leiter” für „Future Piezo-Common-Rail-Systems”: Entwicklung eines Einspritzsystems mit Brennverfahren, mit dem Potenzial niedriger Abgas- und Geräuschemissionen und eines niedrigeren Kraftstoffverbrauchs bei hoher motorischer Leistung für zukünftige Anwendungen und Kraftstoffe

„Die Aufgabe bis 2030: planen, bauen und umsetzen“

Gegeben sei der aktuelle Strommix (Stichwort Braunkohle), ein moderner „Verbrenner und ein „E-Antrieb“ – welcher der beiden Antriebe ist dann in der Gesamtbilanz „sauberer“?

Prof. Rabl: Wie immer bei komplexen Fragen ist dies differenziert zu betrachten, denn zur CO2-Gesamtbilanz eines Fahrzeugs gehört natürlich auch dessen Herstellung. Diese erfolgt heute noch ganz überwiegend mit fossil erzeugtem Strom. So startet jedes E-Fahrzeug – wie ein Verbrenner-Fahrzeug auch – seinen ersten gefahrenen Kilometer mit einem CO2-Rucksack aus der Fertigung. Auch der Energieaufwand fürs Recycling von Fahrzeug und Batterie ist miteinzubeziehen. Eines ist aber sicher: Beim Fahren hat das E-Fahrzeug einen CO2-Vorteil und holt gegenüber dem Verbrenner Kilometer für Kilometer auf.

Wir stehen am Anfang der Entwicklung: Elek­trische Energie wird in Zukunft immer sauberer werden. Gleichzeitig steigt ihr Bedarf deutlich an. Und eins ist auch klar: Manche besonders wärmeintensiven Anwendungen werden auch in Zukunft nicht elektrisch betrieben werden können. Nehmen Sie als Beispiel nur ein Stahlwerk oder die Würzepfanne einer Brauerei; elektrisch sind die dafür erforderlichen Temperaturen nicht herzustellen. Es braucht also Wärmeübergabe mit Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung: So ist ein gasbetriebenes BHKW ganz hervorragend in der Lage zu heizen, zu kühlen und elektrische Energie zu liefern – mit einem Wirkungsgrad von mehr als 90%.

Elektrische Energie wird von vielen als „Allheilmittel“ angesehen. Ist für die Energiewende überhaupt genug regenerativ erzeugter Strom da, Stichwort „Dunkelflaute“? Und woher beziehen wir in Zukunft den zusätzlich benötigten regenerativ erzeugten Strom?

Die Elektrifizierung des Verkehrssektors verdoppelt den Strombedarf – und der Verkehrssektor umfasst gerade mal ein Viertel des gesamten Energiebedarfs. Hinzu kommt: Sonne und Wind fragen uns nicht, wann sie scheinen bzw. wehen. So fallen an einem Sonnentag, an dem mittags alle verfügbaren PV-Anlagen laufen, nur ca. 200 g CO2 / kWh an, in der sogenannten Dunkelflaute aber, wenn weder in PV- noch in Windanlagen nennenswert Strom erzeugt wird, ca. 700 g CO2 / kWh.

Wir brauchen also eine klare Strategie, um den deutlich steigenden Bedarf an regenerativ erzeugtem Strom dauerhaft decken zu können. Diese Strategie basiert auf drei Säulen: 1. Wir müssen zubauen, zubauen, zubauen: PV-Anlagen, Windkraft, Tiefengeothermie … 2. Wir brauchen Lösungen, um Strom speichern zu können. Und 3. Weil Energieautarkie im Inland nicht annähernd möglich ist, wird eine unserer zentralen Aufgaben sein, den seit Jahren funktionierenden Stromhandel über die Grenzen unseres Landes hinaus strukturiert auszubauen.

Die importierte elektrische Energie wird zum überwiegenden Teil aus den MENA-Ländern kommen, d.h. aus dem Mittleren Osten und aus Nordafrika. Dort scheint fast permanent die Sonne, hinzu kommt der Wind am und auf dem Mittelmeer. Elektrische Energie muss also transportierbar und speicherbar sein. Für den Transport gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: das Stromkabel und die Umwandlung der elektrischen in chemische Energie, das heißt in Moleküle. Hier schlägt die Stunde des Wasserstoffs und seiner Derivate. Wasserstoff gibt es gasförmig, flüssig oder in Verbindungen wie Methanol oder Ammoniak – beide sind Vorläufer-Produkte für die Herstellung anderer chemischer Produkte.

Für den Stromtransport vom Mittelmeer zu uns heißt das: Pipeline und Energieumwandlung ergänzen sich, sie müssen komplementär gedacht werden. Für den Transport der in Wasserstoff gebundenen (elektrischen) Energie braucht es Hubs: So transportieren Seeschiffe den Wasserstoff von Nordafrika zum Hafen Rotterdam, dort wird er auf Binnenschiffe umgeladen, die dann über Rhein, Main und Donau die Wirtschaftszentren im Süden Deutschlands erreichen. Binnenhäfen übernehmen dann die zentrale Rolle für Umschlag, Lagerung und Weiterverteilung in die Region.

Kommen wir zur geplanten Energiewende bei Off-Highway-Maschinen: Wo unterstützt die Elektromobilität, wo stößt sie an ihre Grenzen?

Die Antwort ist einfach: Bei stationären Anwendungen – zum Beispiel Baumaschinen mit kleinem Aktionsradius – geht‘s prima mit Stromkabel. Aber was tun in der „Pampa“, wenn das Stromnetz nicht gleich um die Ecke liegt?

Hier gilt: Je flexibler Arbeitsmaschinen eingesetzt werden, desto relevanter wird die praktikabelste Energiespeicherung von allen, die per Flüssigkeit. Das heißt: Für robuste Off-Highway-Anwendungen ist der Verbrennungsmotor weiterhin erste Wahl. Der Tank einer Arbeitsmaschine fasst in der Regel mehrere hundert Liter EFuels: Große Maschinen werden dann von einem Tankwagen betankt. So läuft die Arbeitsmaschine im Zweischicht-Betrieb werktäglich von 6 bis 22 Uhr, und der Tankwagen mit einem Fassungsvermögen von bis zu 30.000 Litern ist oder kommt vor Ort. Kurzum: Die Energieversorgung von Off-Highway-Maschinen muss flexibel an den jeweiligen Anwendungsfall angepasst werden.

Die Grafik der Leistungs- und Anwendungsgebiete CO2-neutraler Antriebsformen zeigt auch Überschneidungsbereiche.

Welche CO2-neutraleren Antriebsformen als der heutige Diesel sind grundsätzlich möglich und sinnvoll? Bezüglich technischer Ausgereiftheit bis wann, Verfügbarkeit / Beschaffbarkeit, politischer Durchsetzbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirkungsgrad?

Nehmen wir eine typische Speditions-Anwendung, eine Lieferung aus Norddeutschland nach Italien – da braucht‘s derzeit den Lkw mit Verbrennungsmotor, weil die Distanz für den Batteriebetrieb deutlich zu lang ist. Das batterieelek­trische Fahrzeug (BEV) dagegen bietet sich perfekt an für kürzere, innerstädtische Rund-um-die-Uhr-Anwendungen: zum Beispiel für die Belieferung von Bäckereien, Apotheken und anderen kleineren Handelsbetrieben. Im urbanen Umfeld haben die Fahrer auch den E-Ladevorgang selbst in der Hand. Diese Differenzierung wurde auch durch das DFG-Forschungsprojekt „Metro­Plant“ bestätigt, im Rahmen einer umfassenden empirischen Studie zu betrieblicher Standort­planung und -entwicklung in Metropolregionen.

Wasserstoff wird gerne als „Alleskönner“ bezeichnet – er macht ja Sonnen- und Wind­energie transportierbar, speicherbar und handelbar. Welchen Part für alternative Antriebs­­formen Off-Highway wird Wasser­stoff in Zukunft spielen? Und welche Infra­struktur und Technik braucht es dafür? Wird sich einer der beiden grund­sätzlich möglichen technischen Wege „Wasserstoff in der Brennstoff­zelle“ und „Wasserstoff im Verbrennungs­motor“ durchsetzen? Und wenn ja, welcher?

Das Funktionsprinzip der Brennstoffzelle wurde bereits 1838 / 1839 entdeckt: Es basiert auf der Elektrochemie, mittels derer Moleküle in elek­trischen Strom umgewandelt wird. Doch es dauerte noch viele, viele Jahre, bis erste Brennstoffzellen-Fahrzeuge entwickelt wurden. In Bezug auf den Wasserstoff fehlt heute noch die Flexibilität: Es ist noch nicht genug H2 da, und die Infrastruktur hängt auch hinterher – es dauert halt. Sagen wir es mit einer Analogie: Wenn Sie Gras ansäen, dauert es ein Jahr, bis es zu einer Wiese wächst. Wer’s Gras vorher möchte, braucht einen Roll­rasen :-).

Die beiden H2-Nutzungsvarianten Verbrennungsmotor und Brennstoffzelle lassen sich so einordnen: Die Brennstoffzelle passt hervorragend für die Luft- und Raumfahrt, denn da oben ist das mitgeführte Oxidationsmittel Sauerstoff extrem sauber. In der Teillast erreicht die Brennstoffzelle dabei einen Systemwirkungsgrad von 60%.

Der Verbrennungsmotor dagegen ist eher ein „Allesfresser“ – er kommt auch mit staubiger, feuchter oder dreckiger Luft bestens klar, ideal für in Volllast arbeitende Baumaschinen wie Bagger, Schwerlast-Lkw oder Raupenfahrzeuge. Der Wirkungsgrad des Verbrennungsmotors ist bis zu 53%. Bei solch robusten Volllast-Aufgaben bietet die Brennstoffzelle keinen Vorteil mehr, da MUSS ein Verbrennungsmotor her. Im ­Übrigen ist die Brennstoffzelle deutlich teurer als der Verbrennungsmotor.

Eine kluge Variante ist das Hybrid-Baufahrzeug: Der Verbrennungsmotor hat einen hohen Wirkungsgrad beim Arbeiten in Volllast. Steht die Baumaschine aber und nur die Klimaanlage soll laufen, bietet die Batterie einen deutlich besseren Wirkungsgrad.

Unternehmen wie die Paul Nutzfahrzeuge GmbH aus dem niederbayerischen Vilshofen rüsten bestehende Lkws mit Verbrennungsmotor auf die Nutzung von Wasserstoff um. Für alle robusten Off-Highway-Anwendungen ist der Verbrennungsmotor erste Wahl, und die Motorenhersteller sind vorbereitet.

Sie vergleichen Antriebsstrang und Energiepfad von E-Mobilität, Wasserstoff und E-Kraftstoffen – was vergleichen Sie genau und zu welchen Ergebnissen kommen Sie da?

Alle drei Wege ermöglichen eine defossilisierte Betriebsweise, bei der die elektrische Energie aus Photovoltaik, Wind, Geothermie, Biomasse oder Wasserkraft gewonnen und das CO2 im Kreislauf gehalten wird. Je flexibler und robuster die Anwendung ist, desto eher kommt ein chemisch gebundener flüssiger Energieträger in Frage. E-Kraftstoffe werden heute bereits norm­kompatibel produziert: Es müssen also keine neuen Maschinen gekauft werden, die können mit E-Kraftstoffen sofort arbeiten. So steigen auch Raffinerien und Mineralölgesellschaften nach und nach um auf synthetischen Diesel wie zum Beispiel HVO 100, ein Diesel-Ersatz aus Pflanzen- und Speiseöl-Resten.

Batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) sind insbesondere für den Stadtverkehr geeignet, sie beschleunigen schnell und fahren sehr leise. Und: Die Anforderung an die Reichweite ist geringer. Dies gilt für im Übrigen für E-Pkw wie für E-Busse.

Quo vadis regenerativer Energiebedarf für Off-Highway-Maschinen? Wie sieht ihr realistisches Szenario für 2030 aus? Und wie für 2050?

2030 werden wir DAS sehen, was wir heute planen und auf den Weg bringen. Noch kein großer Wurf also. Die Aufgabe bis 2030 heißt: planen, bauen und umsetzen.

2050 wird ein nennenswerter Anteil der ­Bestandsmaschinen mit flüssigen ­E-Kraftstoffen / Benzin- und Dieselderivaten betrieben werden, auch im Flugverkehr. Wasserstoff ist eine ­„Eh-da-Technologie“ – davon gehen ein Drittel in den Flugverkehr und zwei Drittel in die Mobilität am Boden. Bis 2050 werden rund 50% der Fahrzeuge in Deutschland BEV sein. Dies bringt einen hohen Bedarf an synthetischen Kraftstoffen zum Überbrücken der Dunkelflaute. Überschüsse müssen daher gespeichert werden können – und zwar im Kraftstoff selbst.