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Wie geht es für die Häfen weiter?

Die Nationale Hafenstrategie

Die Herausforderungen, mit denen sich Deutschland jetzt und in den kommenden Jahren konfrontiert sieht, sind groß: die Energiewende, der Fachkräftemangel, die schleppende Digitalisierung, die marode Infrastruktur. Gleichzeitig erwachsen aus all dem auch mannigfaltige Chancen, die es zu nutzen gilt. So oder so, es muss etwas passieren. Der zum geflügelten Wort gewordene Ruck muss durch Deutschland gehen.

Und mittendrin: die Binnenhäfen. Als unverzichtbare Knotenpunkte, Umschlagsorte zwischen Schiene, Binnengewässer und ja, auch Straße. Ohne Häfen geht es nicht, reißen Lieferketten, steht vieles in Deutschland und Europa still. Trotzdem ist hier viel auf Kante genäht, womöglich zu viel. Die Häfen, die so viel mehr sind als das Anhängsel der Schifffahrt, als das sie viele fälschlicherweise betrachten, ächzen samt ihrer Vor- und Nachläufe unter Sanierungsstau, Unterfinanzierung, dringend renovierungsbedürftiger Infrastruktur, unklaren Zuständigkeiten im föderalen System und Regularien, die ihre Entwicklung eher behindern denn befördern. Aber eine Verbesserung dieser Situation steht zumindest in Aussicht.

Große Einigkeit
Was die Relevanz der Häfen für die Volkswirtschaft betrifft, sind sich alle einig: Bund, Länder, Verbände und Gewerkschaften. Die Hafenbetreiber sowieso. Deshalb zählt es auch zu den dringlichen Aufgaben, die Häfen fit für die Zukunft zu machen. Deshalb hat sich die Ampel-Koalition die Entwicklung der Häfen in den Koalitionsvertrag geschrieben. Und deshalb hat die Parlamentarische Staatssekretärin Daniela Kluckert im vergangenen Jahr unter dem Motto „Auf dem Weg zum Zukunftshafen“ in Berlin den Auftakt für die Erarbeitung einer Nationalen Hafenstrategie gegeben.

An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. „Es ist eine unserer wichtigsten Aufgaben, sicherzustellen, dass wir moderne, nachhaltige, widerstandsfähige Häfen haben“, so die Worte von Verkehrsminister Volker Wissing in diesem Jahr bei der Statuskonferenz zur Nationalen Hafenstrategie. Auch gelte es, dabei keine wertvolle Zeit zu verlieren. Das derzeitige Reformtempo könnte aus Sicht der Häfen aber durchaus höher sein.

Keine Zeit zu verlieren
„Es gibt nach wie vor keinen abgestimmten Entwurf, über den man ernsthaft diskutieren kann“, so das Fazit von Joachim Zimmermann, Geschäftsführer von bayernhafen und Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB) am Ende der Statuskonferenz zur Nationalen Hafenstrategie, die im Juli in Berlin stattfand. Auf der Veranstaltung, bei der die Ergebnisse der eingerichteten Arbeitsgruppen zu je einem der fünf Handlungsfelder vorgestellt wurden, gab es noch wenig Konkretes. Wichtige Fragen zur Finanzierung und Höhe der Förderungen für die deutschen Häfen blieben weitgehend unbeantwortet. Auch nach der Mitte September in Bremen statt gefundenen Nationalen Maritimen Konferenz gab es noch keine belastbaren Ergebnisse. Von Seiten der Häfen besteht die klare Erwartungshaltung, dass in der Ressortabstimmung die bislang erzielten Übereinkünfte nicht verwässert werden.

Bessere Rahmenbedingungen nötig
Was die Häfen benötigen, haben sie längst klar benannt. Neben Platz für Ansiedlungen oder Pufferlager sowie finanziellen Förderprogrammen ist das vor allem ein ordnungspolitischer Rahmen, der Rechts- und Planungssicherheit schafft. Die Häfen müssen – etwa durch spezifische Verkehrsknotengesetze, wie es der BÖB fordert – aus dem föderalen Dickicht unterschiedlicher Zuständigkeiten, komplexer Genehmigungsverfahren sowie zeit- und kostenaufwendiger Vorgaben befreit werden. Auch braucht es eine europäische Hafenstrategie, weil Wasserstraßen und Schienen nicht an Grenzen enden.

Mehr Fokus auf die Kommunen
Aus Sicht der Binnenhäfen muss in der Nationalen Hafenstrategie zudem die Rolle der Kommunen stärker berücksichtigt werden. Denn die verfügen über die Planungshoheit vor Ort und müssen
umsetzen, was auf Landesebene beschlossen wird. Für die Seehäfen mag es genügen, wenn sich Bund und Länder in ihrer Strategie einig werden, was ungeachtet der politischen Farbenlehre ein durchaus realistisches Szenario ist. Für die Binnenhäfen aber sind die Kommunen erster Ansprechpartner. Trotzdem spielen sie derzeit bei allen Diskussionen kaum eine Rolle. Das mag auch daran liegen, dass sich der Blick der politischen Entscheidungsträger aktuell stärker auf die Seehäfen richtet. Dafür zu sorgen, dass die Bedeutung der Binnenhäfen für Deutschland nicht unterschätzt wird, ist deshalb eine Aufgabe, der sich ihre Betreiber in näherer Zukunft verstärkt stellen müssen.

Das Fundament schaffen
Beim Blick auf die fünf Handlungsfelder der Nationalen Hafenstrategie ist der letzte Punkt eigentlich der wichtigste: die Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur muss bedarfsgerecht erhalten und ausgebaut werden. Denn ohne eine funktionsfähige Verkehrsinfrastruktur ist alles andere nichts. „Der Ausbau der zuführenden Infrastruktur muss vor die Klammer gezogen werden“, fordert Joachim Zimmermann deshalb. „Wenn wir als Binnenhafen nicht erreichbar sind, weil die Vor- und Nachläufe marode sind, dann ist alles andere Makulatur.“

Ähnliches gilt auch für die Digitalisierung. Bevor sie die Häfen so effizient wie nie machen kann, muss zunächst das Problem mit der schlechten Netzabdeckung gelöst werden. „Gerade wurden Projekte zur autonomen Schifffahrt in die Niederlande verlegt, weil wir die 5G-Netzabdeckung nicht hinbekommen“, sagt Joachim Zimmermann. „Natürlich kann die Digitalisierung den Binnenhäfen helfen, aber dafür müssen erstmal die technischen Voraussetzungen geschaffen werden.“

Gute Signale
In beiden Fällen ist der Staat gefordert, zunächst einmal die Grundlagen zu schaffen. Insofern ist es ein gutes Signal, dass die Bundesregierung in ihrem Regierungsentwurf zum Verkehrshaushalt 2024 1,77 Milliarden Euro für die Wasserstraßen vorsieht. Für die Förderung der Hafenbahnen und Serviceeinrichtungen in Häfen wurden zudem 66 Millionen Euro veranschlagt. Auch der in den Binnenhäfen stetig zunehmende Kombinierte Verkehr erhält im kommenden Jahr 15 Millionen Euro mehr. „Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Bund die Bedeutung der Häfen für den Schienengüterverkehr weiter unterstützt. Mit 66 Millionen Euro gibt es 2024 so viel Geld wie noch nie für die Förderung nicht bundeseigener Schieneninfrastruktur. Dafür haben wir Binnenhäfen nachdrücklich geworben und wir freuen uns, dass unsere Argumente gehört wurden“, sagt Joachim Zimmermann.

Die richtigen Hebel fürs Klima
Beim geplanten Ausbau der Häfen zu nachhaltigen Knotenpunkten der Energiewende ist es dagegen vor allem wichtig, nicht über das Ziel hinauszuschießen. Zwar nehmen die Häfen diese für die gesamte Gesellschaft wichtige Aufgabe an und bekennen sich klar dazu, alles zu tun, um ihre Energiebilanz zu verbessern und dort, wo das möglich ist, auch Energie zu produzieren. Die von der zuständigen Arbeitsgruppe entwickelte Idee, dass alle Häfen grundsätzlich mehr (saubere) Energie erzeugen sollen, als sie verbrauchen, ist aber in der Praxis wahrscheinlich nur schwer umsetzbar und für den Klimaschutz womöglich kontraproduktiv.
Gerade die Binnenhäfen tragen schon längst zum Klimaschutz bei, indem sie Fracht von der Straße auf umweltfreundlichere Wege verlagern. Wird der Umschlag mit derartigen Vorgaben nun so teuer, dass er sich für die Binnenhäfen nicht mehr lohnt, dann werden wieder andere Wege genommen – was dem Klima unterm Strich mehr schadet als nützt.

Konkurrenzfähigkeit stärken
In puncto Wettbewerbsfähigkeit des Hafenstandorts Deutschland führt – wenn man darunter den Wettbewerb mit ausländischen Standorten versteht – eigentlich nichts an europäischen Lösungen vorbei, da Lieferketten nicht an nationalen Grenzen enden. Für die deutschen Seehäfen bedeutet das vor allem, dass sie regulatorisch gleiche Bedingungen wie ihre europäischen Wettbewerber bekommen müssen – ein Level Playing Field. Und diese fairen Wettbewerbsbedingungen für alle Teilnehmer eines Marktes wünschen sich auch die Binnenhäfen. Nur mit dem Unterschied, dass ihre Konkurrenten auf der Straße unterwegs sind. Denn die Binnenhäfen stehen weniger im Wettbewerb untereinander als vielmehr mit Logistikzentren auf der grünen Wiese, die ausschließlich straßenseitig erreichbar sind.

Auf geht’s
Ziel ist ein Beschluss des Bundeskabinetts zur Nationalen Hafenstrategie bis Ende 2023 – dieser Zeitplan muss nun aber auch eingehalten werden! Für die deutsche Volkswirtschaft sowie die Versorgungssicherheit von Bevölkerung und Unternehmen ist es entscheidend, dass sich das Bekenntnis aller Akteure zu den Häfen jetzt in konkreten Maßnahmen ausdrückt. Denn auch daran hat sich nichts geändert: Wichtig ist, ins Handeln zu kommen. Oder wie Joachim Zimmermann es ausdrückt: „Wir brauchen kein weiteres Konzept und keine weiteren Absichtserklärungen, jetzt heißt es: Ärmel hochkrempeln und loslegen!“

Die Handlungsfelder der im Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode vereinbarten Nationalen Hafenstrategie sind:

  • Wettbewerbsfähigkeit des Hafenstandorts Deutschland stärken
  • Häfen zu nachhaltigen Knotenpunkten der Energiewende entwickeln
  • Potenziale der Digitalisierung, Automatisierung und Innovationen ausschöpfen
  • Ausbildung und Beschäftigung zukunftsfähig gestalten
  • Verkehrs- und Kommuni­kationsinfrastruktur bedarfsgerecht erhalten und ausbauen