kurs 11 2022 | FachMeinung

„Gemeinsam die Häfen der Zukunft gestalten“

Interview mit Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr

Daniela Kluckert

Daniela Kluckert Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr Die Diplom-Volkswirtin, geboren am 22. Dezember 1980 in Nürnberg, hat ihren Wahlkreis in Berlin-Pankow. Daniela Kluckert ist stellvertretende Landesvorsitzende der FDP Berlin und gehört seit vergangenem Jahr dem FDP-Bundesvorstand an. Seit 2017 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages und war bis Oktober 2021 stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur. Im Dezember 2021 wurde Kluckert zur Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr ernannt. Zu ihren Themenschwerpunkten zählen Digitale Infrastruktur, Digitale Gesellschaft, Elektromobilität und Mobilität 4.0 sowie Schifffahrt. Seit Januar dieses Jahres ist sie zudem Beauftragte für die Ladesäuleninfrastruktur. © Foto: Bundesregierung / Jesco Denzel

Ein überlastetes Bahnnetz, Probleme mit Niedrig­wasser: mit welchen Maßnahmen will der Bund die Resilienz der Verkehrs-Infrastruktur in Deutsch­land erhöhen?

Daniela Kluckert: Wir müssen unsere Infra­struktur für die Zukunft aufstellen. Da wurde in der Vergangenheit leider einiges verpasst. So investieren wir derzeit massiv in das Schienen­netz und nutzen auch die Digi­talisierung um besser und effizienter zu werden. Beispiels­weise wird gerade daran gearbeitet durch das Building Information Modelling digitale Zwillinge von Bauwerken zu erstellen, die dann die Sanierung oder ganze Ersetzung deutlich einfacher und kostengünstiger machen. Und bei Planungs­vorgängen wird die Anpassung an den Klima­wandel immer schon mitgedacht. Das heißt, die Ingenieurinnen und Ingenieure müssen die sich ändernden klimatischen Bedingungen mitplanen.

Speziell mit Blick auf die Binnenschifffahrt tun wir viel dafür, dass diese auch bei einer Häufung extremer Niedrig­wasser­ereignisse ein bedeu­tender und zuverlässig nutzbarer Verkehrs­träger bleibt – beispielsweise mit der konsequenten Umsetzung des Aktionsplans „Niedrigwasser Rhein“. Die Binnenschifffahrt ist neben der Bahn das Verkehrsmittel zur CO2-Vermeidung.

Die Finanzierungslücke wächst, die zum Sanierungs­stau bei Wasserstraßen und Schienen geführt hat. Wie wollen Sie sie schließen?

Das parlamentarische Verfahren zum Haushalt 2023 ist noch nicht abgeschlossen und wir arbeiten daran, dass wir vom Gesetz­geber aus­reich­en­de Mittel für die Wasser­straße zur Ver­fügung gestellt bekommen. Hinzu kommt: Nach der­zeitigen Plan­ungen wird die Finanz­linie ab 2024 wieder steigen. Für das BMDV ist klar: wir setzen uns weiter dafür ein, dass die Wasserstraße als zuverlässiger Verkehrsträger zur Verfügung steht.

Der Bund hat wenig Gestaltungs­möglichkeiten. Ein Großteil der Regelungs­kompetenz für die Häfen liegt bei den Ländern (Gesetzgebung) und Kommunen (Umsetzung). Wie wollen Sie die stärker einbinden?

Seit 2009 gestaltet der Bund die nationale Hafenpolitik mit Nationalen Hafenkonzepten. Mit einer neuen Nationalen Hafenstrategie wollen wir gemäß Koalitions­vertrag den Anstoß geben, gemeinsam mit den Ländern, beteiligten Verbänden, Gewerkschaften und Bundes­ressorts die Häfen der Zukunft zu gestalten. Die Erar­bei­tung der Hafen­strategie erfolgt in einem Arbeits­gruppen­prozess auf Grundlage von Leitlinien, mit denen die Beteiligten die wesentlichen Handlungs­felder und Themen abgesteckt haben.

Zur CO2-Reduktion benötigen wir dringend mehr Verkehrsverlagerung von der Straße auf Bahn und Binnenschiff. Momentan behindert der Wettbewerb zwischen diesen beiden Verkehrs­trägern, die aus unserer Sicht zusammen­gehören, diese Verlagerung. Hier braucht es eine koordinierte Vernetzung. Wie sind diesbezüglich Ihre Pläne?

Den Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern im Güterverkehr sehe ich nicht als Hindernis. Dass die Verkehrsträger durch die Vernetzung vielmehr voneinander profitieren, zeigt der Kombinierte Verkehr. Er verbindet die Vorteile der Verkehrsträger. Schon jetzt finden so pro Tag rund 17.000 Lkw-Fahrten weniger auf unseren Bundesfernstraßen statt. Pro Jahr sind dies fast 4,5 Mio. Lkw-Fahrten. Durch die Verlagerung werden im deutschen Netz jährlich Kohlen­dioxidemissionen in Höhe von rund 2,75 Mio. t vermieden.
Was Großraum und Schwertransporte (GST) betrifft, erarbeitete eine Arbeitsgruppe Hand­lungs­­­empfehlungen für die Verlagerung von GST von der Straße auf Schiene und Wasser­­straße. Diese werden nun schrittweise vom BMDV umgesetzt.
Schiene und Wasserstraße müssen sich ergänzen, da für die Bewältigung des Verkehrszuwachses im Güterverkehr die Kapazitäten der Schiene alleine nicht ausreichen.

Im Bereich IT und Digitalisierung, ebenfalls eines der zentralen Handlungsfelder der Nationalen Hafenstrategie, wurden mit einer Neuausrichtung und neu geschaffenen Stellen zuletzt wichtige Weichen gestellt. Wo sehen Sie in diesem Bereich die dringlichsten Aufgaben?

Ja, der bedarfsgerechte Erhalt und Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur ist eines der fünf Handlungsfelder der Nationalen Hafenstrategie. Wir werden im Arbeits­gruppen­prozess gemein­sam mit allen beteiligten Akteuren die zur Ziel­erreichung notwendigen strategischen Maß­nahmen erarbeiten. Die Bundes­regierung hat bereits im Rahmen ihrer im Juli 2022 vom Kabinett verabschiedeten Gigabit­strategie ein Maß­­nahmen­paket vorgestellt, das von der Beschleu­nig­ung von Genehmigungs­verfahren, über die stärkere Nutzung alter­nativer Verlegemethoden, die Optimierung der Förderung, die Erstellung eines Gigabit­grundbuchs bis hin zu Maßnahmen zur Ver­besserung der Mobil­­funk­versorgung reicht. Ziel ist es, bis 2025 die Hälfte aller Haushalte und Unternehmen mit Glasfaser zu versorgen und bis 2030 eine flächendeckende Verfügbarkeit dieser hoch­leistungsfähigen Infrastrukturen zu erreichen. Hiervon profitieren auch die in den Hafen­gebieten angesiedelten Unternehmen.

Aktuell verhindern Natur- oder Gewässer­schutzauflagen oft die fürs Klima so wichtige Verkehrsverlagerung, indem sie diese unnötig teuer oder ganz unmöglich machen. Wie wollen Sie diesen Zielkonflikt auflösen?

Zwischen Natur- und Klimaschutz besteht kein Zielkonflikt. Intakte Ökosysteme sind vielmehr natürliche Klimaschützer.

Klar ist aber: um die Herausforderungen in unserer Infrastruktur bewältigen zu können, müssen wir notwendige Modernisierungs- und Ausbaumaßnahmen in unseren Verkehrsnetzen zügig umsetzen. Das kann aber nur gelingen, wenn Planungs- und Genehmigungs­verfahren den Weg bis zur Fertigstellung eines Infra­struktur­­projekts nicht unnötig in die Länge ziehen. Deshalb sind seit 2018 vier Planungs­beschleunigungs­gesetze auf den Weg gebracht worden und für den Herbst plant das Bundes­ministerium für Digitales und Verkehr weitere rechtliche Anpassungen. Darüber hinaus arbeiten wir neben Verfahrenserleichterungen und der Verbesserung von Prozessabläufen insbesondere daran, Planungs- und Genehmigungsverfahren konsequent zu digitalisieren.

Wasserstraßen enden nicht an den Landes­grenzen. Wie gelingt eine bessere Einbindung der deut­schen Häfen in europäische Strukturen?

Hierzu sind wir auf europäischer Ebene in regel­mäßigem Austausch. Deutsche Häfen sind bei­spielsweise über das transeuropäische Verkehrs­­netz (TEN-V) in europäische Strukturen ein­gebunden. Nahezu 90 deutsche Binnen­häfen sind Bestandteil des TEN-V.